„Als unser erster Sohn geboren worden ist, haben wir bereits beim Neugeborenenscreening erfahren, dass mit seinem Gehör etwas nicht stimmt. Von da an haben wir ihn sehr genau beobachtet und verschiedene Tests machen lassen und der Verdacht hat sich bestätigt: Unser Kind konnte weder uns noch die alltäglichen Geräusche in seiner Umgebung hören oder wahrnehmen und hat auch nicht auf sehr lauten Lärm reagiert.
Hörgeräte, welche die Sprache und Umgebungsgeräusche verstärken, die unser Sohn mit knapp drei Monaten erhalten hat, haben daran nicht viel verändern können. Vorstellungen, die man sich neun Monate und länger schon ausgemalt hatte, wie es denn sein würde, wenn ein Kind auf die Welt kommt und Teil der Familie wird, nichts war mehr dasselbe. Natürlich gibt es noch tragischere Schicksalsschläge und wir waren froh, dass er sonst gesund war, aber das anfängliche Familienglück war ehrlicherweise ein wenig getrübt: Wie sollten wir nun in der Familie kommunizieren?
Ein großer Schritt sind natürlich sogenannte Cochlea Implantate, die in die Hörschnecke eingesetzt werden und elektrische Impulse direkt an den Hörnerv übertragen können. So ein „CI“ sollte unser Sohn ab einem Alter von ca. 12 Monaten bekommen können. Großartig, was mit heutiger Technologie alles möglich ist!
Aber was bis dahin? Und außerdem, müssen Kinder an solche CI auch erst langsam herangeführt und dann auch angepasst werden. Das Gehirn muss dann erlernen, etwas mit diesen elektrischen Impulsen anzufangen. Es gibt auch seltene Fälle, in denen ein CI nicht gut oder sogar gar nicht funktioniert. Natürlich hofft man, dass dies nicht so kommen würde, man will aber doch so gut wie möglich vorbereitet sein. Technische Hörhilfen können auch nicht immer und rund um die Uhr verwendet werden. Die Audioprozessoren, der Teil der von außen mit den Implantaten verbunden wird und Signale durch die Haut überträgt, werden beispielsweise zum Schlafen und beim Duschen oder Baden abgelegt. Außerdem ist das Hören mit solchen Geräten nicht genau so effizient wie bei Hörenden, und man ist abhängig von vielen äußeren Faktoren, wie zum Beispiel Umgebungslärm, Technik, geladenen Akkus usw. Hier bei uns in Südtirol bekommt man diese sehr teuren Geräte vom Gesundheitswesen / Sanitätsbetrieb finanziert, aber was wäre, wenn sich daran einmal etwas ändern sollte und man sich solche Kosten nicht leisten kann. Es gab bei uns schon einige Bedenken, die wir im Vorfeld hatten und die uns Sorgen bereiteten.
Für uns war somit gleich klar, wir müssen nun auch die Gebärdensprache lernen! Wir hatten Glück und haben in unserem Umfeld sehr verständnisvolle Menschen angetroffen, die uns auf diesem Weg mit Rat und Tat beiseite gestanden haben. Wir Eltern, die Großeltern, die Patenonkel und sogar deren Partnerinnen, haben alle einen Gebärdensprachkurs besucht. Von einer Volkshochschule in Südtirol organisiert und von gehörlosen Gebärdensprachtrainern gehalten, konnten wir an einem Kurs teilnehmen. Das hat uns in schwierigen Zeiten sehr geholfen. Natürlich hat es trotzdem immer wieder Situationen gegeben, in denen wir große Kommunikationsschwierigkeiten hatten und sicherlich hat sich unser Sohn dennoch oft missverstanden gefühlt und Verhaltensweisen gezeigt, die von der Sinnesbehinderung herrühren. Dabei haben uns die Gebärden aber sehr geholfen denn Gebärden sind immer da und jederzeit zur Stelle, wie es eine gesprochene Sprache eben auch ist. Andere visuelle Mittel müssen immer erst bereitgestellt werden.
Mittlerweile haben wir auch einige andere Familien mit hörbeeinträchtigten Kindern kennengelernt. Leider konnten die wenigsten damit beginnen, die Gebärdensprache zu lernen. Wir hatten uns anfänglich mit unserem Wunsch Gebärden zu lernen, an die Mitarbeiter des Sanitätsbetriebs gewendet. Dort, so wurde uns mitgeteilt, fehlen für so etwas die Mittel. Für uns ist die Gebärdensprache jedoch eine riesengroße Hilfe und das jeden Tag, wenn z.B. unser ältester Sohn seine CI gerade nicht trägt. Gebärdensprache hilft uns nun umso mehr, weil auch unser zweiter Sohn mit einer gleich starken Hörbeeinträchtigung geboren wurde und ebenso ein CI benötigt.
Die Betreuerinnen, welche mit unseren Söhnen in Kita und Kindergarten arbeiten, haben diese Erfahrung auch gemacht und glücklicherweise auch einen Gebärdensprachkurs besucht. Wir hatten also auch hier wieder Glück und sind auf aufgeschlossene Menschen getroffen. In anderen Ländern, soll es wohl so sein, dass Gebärdensprachtrainer betroffene Familien von Anfang an und auch zuhause mitbegleiten und unterstützen. Mittlerweile hat sich auch in verschiedensten Studien gezeigt, dass dieser bimodal-bilinguale Weg gut für die Entwicklung der Kinder ist. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass Gebärdensprachtrainer und Informationsmaterialien für junge Familien mit hörgeschädigten Kindern eine riesengroße Hilfe sind. Erst kürzlich ist die Gebärdensprache auch in Italien als eigenständige Sprache anerkannt worden. Jetzt sollte diese eigenständige Sprache, die für hörgeschädigte Kinder und ihre Familien von Anfang an eine so wichtige Stütze sein kann, als Möglichkeit der Kommunikation vermittelt werden, so selbstverständlich von Anfang an und parallel zur Versorgung mit Hörhilfen, so wie es in vielen anderen Ländern schon gemacht wird.“