BimoLi

Mein persönlicher Erfahrungsbericht

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Ich heiße Roswitha Blaas und lebe mit meinem Mann und meinen 2 Kindern in Meran. WIE BIN ICH ZUR GEBÄRDENSPRACHE GEKOMMEN ? Bevor ich euch noch von unserem „Werdegang“ mit meiner Tochter berichte, möchte ich erzählen, wie ich überhaupt das erste Mal in Kontakt mit Gehörlosen und mit Gebärdensprache gekommen bin. Ich habe viele Jahre in der Bank gearbeitet und ein paar unserer Kunden sind gehörlos. Ich habe gemerkt, daß sich manche besser und manche weniger gut verständlich machen können. Als hörende Person ist es natürlich leichter, wenn das Gegenüber „spricht “ , d.h. die Lautsprache verwendet; Kam sehr wenig Lautsprache, war es für uns häufig sehr schwierig mit diesen Kunden zu kommunizieren. Es wurde zur Not manchmal nur aufgeschrieben oder beide Seiten nickten zwar ja, ja, ja, aber meist hat man sich falsch verstanden. Ich muß sagen, daß wir auch „Angst“ hatten mit ihnen zu „kommunizieren“… Angst falsch zu verstehen, nicht zu verstehen…. „Wie wird es wohl ihnen dann ergehen bzw. ergangen sein? Ich habe gemerkt, dass manche Leute der Meinung sind, dass nicht sprechen können gleichzeitig bedeutet „nicht ganz gescheid“ zu sein. Aber das stimmt absolut nicht! Als das erste Mal ein Gebärdensprachkurs bei Urania in Meran angeboten wurde und das sogar von Frau Wellenzohn, die ich ein bisschen von der Arbeit her kannte, war es für mich klar: Ich hatte Zeit und ich wollte diese Sprache kennenlernen. Meine Arbeitgeber haben mein Vorhaben unterstützt, da auch sie sahen, daß eine bessere Kommunikation aus „Respekt“ hilfreich sein kann. Anfangs konnte ich mir nicht recht vorstellen, daß eine gehörlose Person uns unterrichten konnte….aber es ging! Ich war überrascht, daß es so viele verschiedene Gebärdensprachen gibt: Ist diese Sprache nicht überall gleich auf der ganzen Welt? …Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es eine eigene Gehörlosenkultur gibt…Warum? Ich konnte mir nicht vorstellen, mit welchen „Hürden“ sie in unserer Welt leben müssen. Ich konnte mir aber auch nicht vorstellen, was sie alles können, wie z.B. Autofahren, Behördengänge etc. Eine neue „Welt“ eröffnete sich mir. Es ist schon interessant, daß wir zwar in der heutigen Zeit so weltoffen sind und doch noch vieles irgendwie mit Scheuklappen sehen und manchen Dingen so begegnen. Schnell sprach es sich unter den Gehörlosen in Meran herum, dass ich, die Mitarbeiterin in der Bank, gebärden lerne. Ich wurde auch mal zum Kaffee eingeladen… ohje, wie mache ich das? …Dies war doch etwas, was wir unter Hörenden ja ganz selbstverständlich machen, doch mit einem Gehörlosen?! Anfangs war es komisch und auch meine Arbeitskollegen staunten nicht schlecht, dass ich mit „ihnen“ Kaffee trinken ging und plauderte, aber ja 🙂 es ging! Ich hatte anfangs auch Hemmungen in der Öffentlichkeit mit den Händen zu sprechen… was würden wohl die anderen denken, aber mit mehr Übung kam auch die Sicherheit. Ich besuchte 3 Grundlagen-Kurse und machte anschließend erst mal eine Pause. Dass ich einmal direkt und selbst davon betroffen werde und ein gehörloses Kind bekommen werde, hätte ich mir nie gedacht! Laut erster Diagnose hatte ich ein Mädchen geboren, das blind und taub ist. Für mich war von Beginn an klar, daß wir mit ihr entweder gebärden oder lormen würden. Nach Abklärung der gesundheitlichen Probleme, wurde nach ein paar Monaten glücklicherweise klar, dass unsere Tochter doch sehen würde… Mit 6 Monaten bekam meine Tochter ein Hörgeräte, mit dem Gedanken ab 12 Monaten ein CI (Cochlea Implantat) zu implantieren. Nach nun mittlerweilen 10 Jahren trägt sie immer noch Hörgeräte. Wir versuchten mit bestem Wissen unserem Mädchen die Gebärden beizubringen. Wir boten ihr immer Bild, Wort, Sprache und Gebärden gleichzeitig an. Wir waren überzeugt, dass mehrere verschiedene Inputs ihr weiterhelfen würden und sie das ihr Zutreffendste speichern wird und damit dann kommunizieren lernt. Das war für uns anfangs sicherlich sehr schwierig. Vor allem weil wir leider in dieser Hinsicht kaum bzw. gar keine Unterstützung bekamen. Laut Ärzten, Logopäden, Psychologen sollten wir dem Kind ausschließlich die Lautsprache anbieten eventuell zusätzlich mit Bildkarten, aber ansonsten auch nur die deutsche Schriftsprache anwenden. Mein Mann ist italienischer Muttersprache und hat mit unserer Tochter immer italienisch gesprochen. Nur die deutsche Hochsprache mit ihr zu sprechen war für uns Eltern „komisch“ und unrealistisch. Wir sind unseren eigenen Weg nach unserem Bauchgefühl gegangen. Somit wurde unsere Tochter vom Vater in italienisch angesprochen, von mir deutsch, dh. südtiroler Dialekt u. ev. für klares Wortverständis setzten wir Hochdeutsch ein. Gleichzeitig versuchten wir, sei es ich wie auch mein Mann, die Lautsprache mit südtiroler Gebärden zu begleiten. Unsere Tochter machte gute Fortschritte in Bezug auf Sprache u. Kommunikation. Manche Dinge kamen nur in Gebärden u. manche in Lautsprache. Wie es für sie leichter war. Hauptsache es wird kommuniziert ! Als ich bei Kindergarteneintritt das Gespräch mit der Kindergartendirektorin suchte, um einen guten Start für Katharina zu ermöglichen, ging es auch um die Bitte Katharina mit Gebärden im Kindergarten zu begleiten. Jedoch wurde mir sofort deutlich gemacht: „Wir verwenden die Lautsprache und eine Unterstützung in Gebärdensprache ist nicht vorgesehen. Laut ital. Gesetz hätte sie eigentlich Anrecht auf einen Kommunikationsassistenten, welche es aber leider bei uns in Südtirol nicht gibt. Es ist derzeit nicht vorgesehen, dass Integrationsmitarbeiter Kurse in Gebärdensprache besuchen oder sich das aneignen müssten. Somit war es nur uns Eltern möglich im Alleingang unserem gehörlosem Kind Gebärden beizubringen. Irgendwie haben wir es geschafft, dass 1-2 Mal im Jahr, wir Eltern in den Kindergarten kommen durften um mit den interessierten Kindern eine Gebärdenstunde zu gestalten. Dies war uns wichtig, damit die anderen Kinder sehen, wie man noch kommunizieren kann u. dass Katharina nicht alleine mit den Händen kommuniziert. Ich möchte euch auch kurz von dem Modell VAKOG berichten. Es kam bei einem Kurs zur Sprache, den ich besuchte: „Starke Eltern, starke Kinder“. Es geht dabei auch um die Art der Kommunikation u. warum das Gesprochene nicht immer von dem anderen Gesprächspartner auf die gleiche Weise wahrgenommen u. verstanden wird. Ich verstehe meine Tochter nun besser. Sie nutzt die Sinne anders als ich, um zu „verstehen“. Beide Sinne sind beeinträchtigt, Hören mehr als Sehen u. deshalb benötigt sie beide Formen der Kommunikation. Vakog – unsere 5 Sinne VAKOG ist ein Bestandteil der NLP (neurolinguistische Programmierung), ich möchte dieses ‚Modell‘ aber aus diesem Kontext lösen, und hier als ein eigenständiges Element aufarbeiten. Kritiker bezeichnen NLP als pseudowissenschaftlich und Wiki bietet dazu hinreichend Informationen, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde. Grundsätzlich gilt wie bei allen Kommunikations-Modellen, es ist ein mögliches Werkzeug für meine Kommunikation mit anderen. Alles kann, nichts muss! Die fünf Buchstaben ‚VAKOG‘ stehen für unsere Sinne, im Einzelnen: V=Visuell (sehen),A=Auditiv (hören), K=Kinästhetisch (fühlen/spüren), O=Olfaktorisch (riechen),G=Gustatorisch(schmecken). Wir nehmen unsere Umwelt mit allen fünf Sinnen wahr, jedoch jeder von uns in unterschiedlicher starker Ausprägung. Der eine nimmt seine Umwelt stärker visuell, ein anderer vorwiegend hörend oder fühlend wahr. Das kann mir helfen, meine Kommunikation zu verbessern. Ausgehend davon, das i.d.R. zwei Sinne bevorzugt verwendet werden, z.B. Visuell und Akustisch (sehen und hören) besteht eine Abhängigkeit, wieviel Informationen bei meinem Gegenüber ankommt, wenn ich spreche. Auch kann ich dieses Wissen dazu nutzen, meine Umwelt umfassender wahrzunehmen, wenn ich mir im Klaren darüber bin, welche ‚Eingangskanäle‘ bei mir selber dominant sind.Wenn wir uns an etwas erinnern, ist diese Erinnerung maßgeblich von unseren ‚dominanten‘ Sinnen abhängig, das bedeutet, jeder speichert sie auf individuelle Weise ab. Wir haben ‚Bilder im Kopf‘, hören ‚Klänge im Ohr‘, oder erinnern uns an einen Geruch, den wir mit etwas Erlebtem verknüpfen. Mein Mann und ich haben uns Material besorgt wie. z.B. Gebärden Kinderlieder u. diese mit DVD angeschaut, wir haben die KommUKart Gebärdenkarten besorgt, wir haben ein Gebärden Plakat aufgehängt damit wir es täglich sehen u. auch wir selbst lernen, an mehreren Orten zu Hause gab es auch die Fingeralphabetpostkarte von den Kinderhänden. Der beste Ort für das Plakat ist das Badezimmer 😉 klingt jetzt komisch, ist aber so, denn dort ist man täglich und hat Ruhe sich kurz das Plakat anzuschauen. Wir haben einige Karteikarten an den jeweiligen Möbelstücken drangeklebt z.B. Kühlschrank. Bevor ich Katharina z.B. die Milchflasche gegeben hatte, habe ich die Gebärde gemacht usw. Als erste Gebärden kamen: Milch, FERTIG, Stop, Aufstehen. Bevor Katharina das Wort Mama oder Tata gesprochen hat, hat sie es gebärdet. Sie konnte recht früh auch schon das Fingeralphabet. Dies war weiters auch gut für ihre motorische Entwicklung. Sie war sehr daran interessiert u. so haben wir die Wörter, die sie in Sprache nicht gut verstanden hat immer auch mit dem Fingeralphabet buchstabiert. Sie konnte das Fingeralphabet trotz ihrer Diagnose schon mit 4 Jahren. Ich möchte euch auch ein lustiges Erlebnis erzählen: Mein Sohn trank noch manchmal an der Brust. Einmal schaute er mir tief in die Augen u. fing an mit den Händen etwas zu „fuchteln“. Da er ein sehr lebendiger Junge ist, habe ich nicht gleich verstanden was er da machte. Dann aufeinmal bemerkte ich, daß er das Wort „Arbeiten“ gebärdete u. dann noch „Tata“. Er hatte ja den „Mund voll“ 😉 und so wollte er mit mir trotzdem plaudern. Er wollte mir erzählen, daß der Tata bei der Arbeit ist. Da wurde mir wieder mal bewußt, wie toll es eigentlich ist, die Gebärden zur Lautsprache mit einzubeziehen. Wenn ich schimpfe, ist die Gebärde „Stop, Schluss“ viel aussagekräftiger bzw. kommt bei unseren Kindern viel besser an, als nur die Worte. Die Hände haben wir immer dabei, sollte die Technik (Hörgeräte) mal ausfallen. Ohne Hilfsmittel ist Katharina taub. Wir als Familie sind froh, daß wir von klein an die Lautsprache mit Gebärden unterstützt haben. Für uns haben wir die richtige Entscheidung getroffen! Ein herzliches Dankeschön für euer Interesse Roswitha